Vorn spielt ein Cello ein getragenes Lamento, ein Klagelied aus dem 14. Jahrhundert. Auf einmal fällt ein Saxophon ein, das sich hinter der Orgel versteckt hat. Schließlich bewegt sich ein zarter Blockflötenklang durch die Stuhlreihen. So beginnt das Konzert "Changes - Improvisation in Barock und Jazz" mit dem Ensemble Animus und dem Duo Appearuit. Polyphones Geflecht erfüllt den Kirchenraum. Auch die Konzertbesucher dürfen singen: "Von Gott will ich nicht lassen" (EG 365), als Weiterführung einer Cellosonate aus dem 17. Jahrhundert. Manche reiben sich verwundert die Ohren: Blockflöte und Saxophon, Klavier und Cembalo: Darf das denn sein? Es darf. Auch wenn es schon ein bisschen unerhört ist. Das Klavier muss allein deswegen dabei sein, um bei dem Stück "Blue Trane" von John Coltrane in der unteren Stimme den fehlenden Kontrabass zu ersetzen. Und dann gibt es ja auch noch "Greensleeves", damit verstörte Zuhörer gleich wieder versöhnt werden.

Höhepunkt des Musikabends am Dornbusch ist nach der Pause ein "Ave maris stella" (Meeresstern, sei gegrüßt!) aus dem Jahr 1420. "Wir haben uns dazu ein paar neue Harmonien ausgedacht, die wir nach und nach einschmuggeln", erklärt Bernhard Kießig. Zusammen mit Andreas Küppers (Cembalo) und Andreas Lehmann (Saxophon) singt er den gregorianischen Hymnus vor. Dann führen Maria Kießig (Flöte) und Marie Deller (Cello) die schlanke Melodie fort, ehe das Saxophon dazu kommt. Tapfer behauptet sich die kleine Blockflöte gegen das Blech, gibt dann aber auf und überlässt es Saxophon und Klavier, den langen musikalischen Pilgerweg im Heute ankommen zu lassen.

Solche Improvisationen waren auch schon der Barockzeit vertraut, wie Maria Kießig erklärt. Frei gestaltete Verzierungen wie Triller, Praller und Mordent gehörten zur barocken Sonate dazu. Zusammen mit Cembalo und Cello spielt sie diese so schnell, dass mitten im zweiten Satz die Taube über Christus im Kirchenfenster aufgeregt zu flattern beginnt.

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